Die schlechteste Mutter, die ich sein kann

Veröffentlicht am 7. Mai 2024 um 12:21

Ja, war ich heute.

Bin ich immer mal wieder, und ich mag das nicht.

Aber was soll ich sagen - es lässt sich nicht ändern. Wir alle sind regelmäßig und in allen Lebensbereichen die schlechteste Version von uns selbst. Die schlechteste Version als Ehefrau, die schlechteste Version als Freundin. Die schlechteste Version als Arbeitnehmerin, Kundin und Nachbarin. Aber das bedeutet nicht, dass wir dann auch die schlechteste Mutter, Ehefrau, Freundin und wassonstnoch auf der ganzen weiten Welt sind.
Das reden wir uns aber gern allzu erfolgreich ein.

Natürlich wollen wir alles richtig machen und die beste Version von uns zeigen.

Das macht auch Sinn, denn wenn wir nicht danach streben würden, es so gut wie möglich zu machen, würden wir es nie wirklich gut machen. Als ich Mama wurde, war mir zwar schon klar, dass Mütter auch mal die Geduld verlieren. Oder dass sie nicht immer gut gelaunt sind und ihre Babys auch mal genervt in den Schlaf schaukeln. Aber um ehrlich zu sein, hatte ich schon die Bilderbuch-Mama-Version von mir vor Augen, stets liebevoll, niemals aufbrausend, nur selten laut. Möglichst ruhig und bedacht, stundenlanges Geduldig-in-den-Schlaf-Wiegen und Bei-Trotz-Anfällen-Ruhig-Begleiten inklusive. Bisschen müde vielleicht, manchmal auch echt fertig. Aber schlussendlich mit diesem friedlichen Lächeln im Gesicht.

Tja, schade Schokolade.

Ich musste feststellen, dass sämtliche Mama-Qualitäten von einigen Faktoren abhängen:

1. Schlafdauer/-qualität

Wenn ich zum Heulen müde bin, bin ich nicht allzu geduldig. Wie denn auch? Wir reden hier nicht von ein bisschen weniger Schlaf. Wir sprechen von seeeeeehr kurzen Nächten.
Und von Nächten mit locker zwei, drei, vier Unterbrechungen. Mindestens.

2. Laune der Kinder, gerne auch "Phase" genannt

(so ein schönes Wort, oder?)

Wenn das Kind einigermaßen ausgeglichen ist und nur etwa fünf bis zehn Trotzanfälle am Tag hat, zudem nicht krank ist und selbst gut geschlafen hat, stehen die Chancen gut. Wenn ich aber den zwanzigsten Wutanfall an einem Tag aushalten und begleiten muss, dann kann das schon mal eng werden. Und wenn morgens schon der erste Pieps meiner Kinder im vorwurfsvollen Quengelton kommt, ehe ich überhaupt die Augen richtig aufhabe, kann ich schon mal genervt sein.

3. Anzahl der Kinder

Natürlich kann ein einzelnes Kind so anstrengend sein wie drei zusammen. Das sei hier ausdrücklich betont. Es ist aber ganz einfach so, dass die Zahl der Trotzanfälle, Hilfegesuche, Unfälle und Krankheitstage mit jedem Kind deutlich steigt. Und nicht zuletzt streiten mehrere Kinder untereinander natürlich oder stiften sich gegenseitig zu Unsinn an, den sie alleine nie gemacht hätten. Während ich also bei Kind Nummer 1 tatsächlich recht häufig ruhig und geduldig bleiben konnte, gelingt mir das mit Kind Nummer 2 nicht mehr so oft. Es sind oftmals einfach zu viele Dinge gleichzeitig, die meine Aufmerksamkeit verlangen. Mal ganz davon abgesehen, dass der Lärmpegel einfach viel höher ist. 

Und wenn dann noch Patchwork-Time ist und unsere Große gleichzeitig wissen will, ob ihre Jeans eigentlich schon gewaschen sind, noch Milch im Kühlschrank ist und wo überhaupt ihre Schulsachen sind,  ist echt oft einfach nur noch Chaos in the house.
Bedürfnisorientiert erziehen ist absolut mein Ding - nur kollidieren leider allzu häufig so viele Bedürfnisse einzelner Familienmitglieder (inklusiver meiner eigenen!) miteinander, dass ich viel zu lange damit beschäftigt wäre, sie zu sortieren und in eine sinnvolle Reihenfolge nach Gewichtigkeit zu bringen.
Also heißt es eben manchmal: Ruhe jetzt und Schluss, Aus!

4. Hilfe / Me-Time-Akkustand

Es gab eine Zeit, als mein Großer gerade zweieinhalb Jahre und die Kleine gerade 8 Monate alt war, in der ich ganz erheblich an mir gezweifelt habe. Ich habe mich gefragt, was ich falsch mache, warum ich so manches Mal weniger Geduld und Ruhe für meine Kinder hatte. Und warum andere Mütter offenbar keine Sekunde mit ihrem Nachwuchs verpassen wollten, während ich ehrlicherweise um jede Sekunde froh war, die ich mal für mich allein sein konnte. Ich haderte, hinterfragte mich, war frustriert.

Und irgendwann fiel der Groschen: Das Geheimnis ist das Plus an Hilfe und damit Me-Time!
Denn jedes Mal, wenn wieder eine Mami davon berichtete, wie sehr sie sich auf den Nachmittag mit ihrem Kind freut, berichtete sie außerdem davon, dass die Schwiegermutter gerade auch schon das Fischfilet in den Ofen geschoben hat und gleich nur noch schnell der Tisch gedeckt werden muss. Naja, gut, nach dem Mittagessen schläft der Kleine ja auch noch, so 1 bis 2 Stunden. Und jeden Mittwoch- und Freitagnachmittag nimmt Oma den Kleinen. Mal ganz in Ruhe putzen. Oder Kaffee trinken und ein Buch lesen. Fantastisch, das klang wundervoll!

Versteht mich nicht falsch - ich gönne jedem Elternteil von Herzen, wenn Hilfe da ist.
Aber mir war einfach plötzlich klar, wieso mir das alles nicht so leicht von der Hand gehen konnte! Man muss halt einfach die Kirche im Dorf lassen. Wenn mein Akkustand bei nahezu Null ist, ist es nicht verwunderlich, dass ich auch nur noch im Reservemodus erziehen und begleiten kann. Bei aller Pflicht (schon wieder eine!) zur Selbstfürsorge: Manchmal ist einfach keine Hilfe und Ruhebank in Sicht.
Und ich bin dann eben nur noch die schlechteste Mutter, die ich sein kann.

Das ändert nichts daran, dass ich täglich aufs Neue

versuchen muss und will, die beste Mami aus mir herauszuholen.

Ich will geduldig sein und liebevoll begleiten. Verständnis zeigen und aushalten, was meine Kinder umtreibt. Und oft gelingt mir das ja auch. Es ist nur einfach utopisch zu glauben, dass wir jeden Tag den Eltern-Spagat aus Kindern, Job, Wäschebergen und Kloputzen in völliger Ausgeglichenheit bewältigen. Mal ganz abgesehen davon, dass es ja auch noch andere Lebensbereiche zu bedienen gilt: Freunde freuen sich vielleicht auch hin und wieder über ein Lebenszeichen, den Einkauf sollte irgendwer erledigen, und so eine Partnerschaft will auch gepflegt werden.

Zum Glück habe und hatte ich auf all meinen Wegen wundervolle Mama-Vorbilder: Meine Freundinnen und meine Cousine, meine PeKiP-Leitung und sogar die Osteopathin meines Sohnes haben mir sehr schnell zu verstehen gegeben, dass wir alle den gleichen Struggle haben und alle regelmäßig schreiend im Kreis rennen (oder wahlweise heulend auf dem Klo sitzen).

Und speziell im  PeKiP habe ich gelernt, dass Kinder an ihren perfekten Eltern scheitern müssen. Soll heißen: Mach Fehler und steh dazu. Lass dein Kind daran teilhaben, dass du eben auch nur ein Mensch bist und dein Geduldsfaden nicht unendlich lang ist.  Bemühe dich um ein liebevolles Miteinander, aber hör auf zu glauben, dass sie dich nicht scheitern sehen dürfen. Sonst scheitern sie eines Tages an ihren eigenen Schwächen.

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Kommentare

Melanie
Vor einem Jahr

Ganz ganz wunderbar. Toll geschrieben und unterschreibe ich voll. Mach bitte weiter, ich freue mich mehr zu lesen. Und ich bin voll überrascht, dass du diese Idee mit dem Blog hattest. Einfach mega